Unterschiedliche Lerntypen – ein Mythos?

Die Einen machen sich große, bunte Plakate mit mindmaps, die Anderen sprechen sich Lerninhalte selbst vor, hören sich Aufnahmen an oder sehen Videos und die Dritten schreiben sich Karteikarten und lesen alles in Büchern nach. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten sich mit Lerninhalten auseinander zu setzen und verschiedenste Wege sie kognitiv zu verarbeiten.

Bis heute bestehen mehrere Theorien zu dem Modell der Lerntypen. Man kann sich Bücher dazu kaufen, Tests machen und schon in der Schule versuchen Lehrer und Eltern herauszufinden welcher Lerntyp das Kind ist und wie es wohl am besten versteht.

Grundsätzlich muss man zwischen zwei Dimensionen unterscheiden: der ersten, die abbildet, wie eine Person Informationen wahrnimmt und sammelt. Das kann über die verschiedenen Sinne geschehen, durch praktisches Erfahren oder auch abstraktes Begreifen, in dem man beispielsweise einen Sachverhalt, der nicht greifbar ist, gedanklich durchgeht. Die zweite Dimension reicht vom aktiven Probieren bis hin zur gedanklichen Beobachtung. Der Prozess des Lernens ist, begonnen bei der Informationsaufnahme, also nicht immer sichtbar, was eine Einteilung in Lerntypen natürlich nicht vereinfacht.

Da die Nutzung des Begriffs “Lerntyp” in der Literatur nicht einheitlich ist, wird in vielen Fällen eher von einer “Lernpräferenz” gesprochen. Hier wird nach unterschiedlichen Kriterien der bevorzugten Informationsaufnahme eingeteilt. Beispielsweise nach Sinnesorganen, die bevorzugt genutzt werden, sprich einem auditiven, einem optischen, einem haptischen und einem intellektuellen Typen. Dabei ist aber unbedingt zu beachten, dass festgestellt wurde, dass nicht die Informationsaufnahme, sondern vielmehr die Informationsverarbeitung ausschlaggebend für den Lernprozess sind. Gesprochene Sprache wird beispielsweise ähnlich verarbeitet, die geschriebene Sprache, obwohl sie über zwei unterschiedliche Systeme aufgenommen werden. Wohingegen sich die Verarbeitung von Text und Bild komplett unterschiedlich gestaltet, obwohl beides über das visuelle System aufgenommen wird. Auch die Art und Weise der Sozialform des Lernendens ist eine Lernpräferenz, die betrachtet werden kann: Lernt man lieber in der Gruppe, im Wettbewerb oder alleine?

Es gibt also zahlreiche Modelle und Ansätze Lernpräferenzen zu unterscheiden. Doch ist das überhaupt sinnvoll? Können Lernprozesse nach Kategorien sortiert werden, um dann entsprechend Inhalte zu präsentieren? Bieten die angebotenen Materialien, Tests und Literaturen eine verlässliche Orientierung?

Harold Pashler, Mark McDaniel, Doug Rohrer und Robert Bjork haben 2008 eine Literaturrecherche zu diesem Thema durchgeführt. 71 unterschiedliche Modelle von Lernstilen haben sie sich dabei angesehen und verglichen.

Sie gehen davon aus, dass sich “Lernstil” individuell auf die Art und Weise des effektivsten Lernens für den Einzelnen bezieht. Demnach ist ein Lerntyp etwas sehr subjektives, denn nur der Lernende selbst kann in erster Linie entscheiden, wie er effektiv lernen möchte. Die bestehenden Assessments, die behaupten, sie können den Lerntyp einer Person feststellen, versuchen also eine Antwort auf die Frage zu finden, welche Art der Informationsvermittlung die Lernenden bevorzugen und welche mentale und kognitive Aktivität sie am ansprechendsten finden. Beispielsweise könnte ein Schüler angeben, er findet Videos ansprechender als Texte und er erarbeitet sich Inhalte lieber selbst, als dass er sie präsentiert bekommt. Im Bildungsbereich haben diese Tests großen Einfluss gewonnen und es werden immer wieder neue Test entwickelt und publiziert.

Doch sind diese Tests überhaupt aussagekräftig? Liegt Ihnen eine wissenschaftliche Evidenz zugrunde? Und sind sie so für den qualitativen Einsatz im Bildungsbereich zu gebrauchen?

Machen wir einen kurzen Abstecher in einen Tagtraum: Idealerweise gäbe es verlässliche, valide Tests, mit denen in kurzer Zeit und auf sehr simplem Niveau, sodass ihn beispielsweise auch Kinder mit wenig Lesekompetenz, Flüchtlinge mit Basis-Sprachkenntnissen oder ältere Menschen mit kognitiven Einschränkungen bewältigen können, Ergebnisse zu erhalten sind, die eine Aussage darüber treffen, wie sich die optimale Informationsaufnahme und -verarbeitung für den Lernenden gestalten lässt, dass er möglichst effektiv lernt.

Nun bestehen eine Vielzahl von Tests, doch zum einen ist der Lernstil, wie oben beschrieben, eine sehr individuelle und subjektive Sache und zum anderen sind Pashler et al. in ihrer Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen, dass es leider nur wenige, nicht den wissenschaftlichen Standards entsprechende Untersuchungen von Tests über Lernstile gibt. Es gibt viel Literatur zu diesem Themengebiet, doch nur die wenigste ist auch aussagekräftig. Sie sprechen also den klaren Appell aus, dass es wissenschaftlich fundierte Untersuchungen geben muss, um eine Aussage über die Klassifizierung in Lerntypen und damit die Effektivität des Lernens treffen zu können. Außerdem weisen sie darauf hin, dass es hier Unterschiede zwischen den verschiedenen Disziplinen gibt, es also schwer zu verallgemeinern ist und differenzierte Lösungen geschaffen werden müssen.

Given the capacity of humans to learn, it seems especially important to keep all avenues, options, and aspirations open for our students, our children, and ourselves.“ – Pashler et al.

 

 

Die Idee der Lerntypen und damit der zielorientierten, optimierten Informationsaufnahme und -verarbeitung ist sicherlich mit guten Absichten, besonders in einer Leistungsgesellschaft, wie wir es sind. Leider fehlt es noch an evidenzbasierten Aussagen über die richtige Anwendung von Tests und deren Aussagekraft. Um eine bestmögliche Bildung anbieten zu können, sollte die Bildungswissenschaft diese Lücke schnell schließen. Doch bis dahin sollten wir als Bildungsanbieter versuchen eine Vielzahl von Lernstilen anzubieten, um jeden Lernenden individuell bedienen zu können und so seinen subjektiven Lernpräferenzen zu entsprechen. Wenn man dann den Lernerfolg anhand von Assessments messbar und damit für den Lernenden greifbar machen kann, fällt es vielleicht auch dem Einzelnen leichter herauszufinden, wo seine Präferenzen liegen und wie ihm Lernen am meisten Erfolg bringt.

Ihr arCanum Team

 

Quelle: Pashler, H.; McDaniel, M.; Rohrer, D.; Bjork, R. (2008): Learning Styles – Concepts and Evidence. Psycological Science in the public interest, 9:3.

 

weiterführende Links:

Psychologie heute – Mythos typgerechtes Lernen

Handbuch Lernstrategien, Mandl und Friedrich, via Google Books

 

Bilder: Priscilla Du Preez, Wes Hicks and JESHOOTS.com via Unsplash

 

Hinweis zum Haftungsausschluss bezüglich in diesem Text enthaltener Links:

Der Autor erklärt hiermit ausdrücklich, dass zum Zeitpunkt der Linksetzung keine illegalen Inhalte auf den zu verlinkenden Seiten erkennbar waren. Auf die aktuelle und zukünftige Gestaltung, die Inhalte oder die Urheberschaft der verlinkten/verknüpften Seiten hat der Autor keinerlei Einfluss. Deshalb distanziert er sich hiermit ausdrücklich von allen Inhalten aller verlinkten /verknüpften Seiten, die nach der Linksetzung verändert wurden. Diese Feststellung gilt für alle innerhalb des eigenen Internetangebotes gesetzten Links und Verweise sowie für Fremdeinträge in vom Autor eingerichteten Gästebüchern, Diskussionsforen, Linkverzeichnissen, Mailinglisten und in allen anderen Formen von Datenbanken, auf deren Inhalt externe Schreibzugriffe möglich sind. Für illegale, fehlerhafte oder unvollständige Inhalte und insbesondere für Schäden, die aus der Nutzung oder Nichtnutzung solcherart dargebotener Informationen entstehen, haftet allein der Anbieter der Seite, auf welche verwiesen wurde, nicht derjenige, der über Links auf die jeweilige Veröffentlichung lediglich verweist.

Übersetzungen – mehr als Wort für Wort

Nachdem wir bereits die hohe Multitasking Leistung von Dolmetschern betrachtet haben, möchten wir uns heute der schriftlichen Übersetzung von Inhalten widmen. Als Sprachschule bieten wir neben Fremdsprachentraining und Sprachkursen für Firmen einen professionellen Übersetzungsdienst an. Dabei werden wir von der A.S.S. – Agentur für SprachenService unterstützt, die sich kompetent für Übersetzungen in vielen Sprachen einsetzt.

Wir haben uns mit Frau Sixt von A.S.S. unterhalten und darüber gesprochen, welche Kriterien eine gute Übersetzung ausmachen, wo der Computer eindeutig unterlegen ist und warum man versehentlich einen Heiratsantrag macht, wenn man die Mentalität der Sprache nicht kennt.

Was zeichnet eine qualitativ gute Übersetzung aus?

Abgesehen davon, dass sie sprachlich und grammatikalisch einwandfrei sein muss, geht es darum, dass der Zieltext die Aussage des Ursprungstextes sinngemäß und im richtigen Zusammenhang wiedergeben soll. Dafür sind exakte Formulierungen und eine präzise Wortwahl Grundvoraussetzungen. Kurz gesagt: Übersetzen = die korrekten Wörter im richtigen Zusammenhang. Eine „Wort-für-Wort-Übersetzung“ kann diese Anforderungen nicht erfüllen.

Das alleine garantiert jedoch noch nicht, dass die „Botschaft des Senders“ in der Übersetzung auch so verstanden wird, wie sie gemeint ist. Der „Empfänger“ hat nicht nur eine andere Muttersprache, sondern meist auch eine andere Mentalität. Das kann dazu führen, dass er Aussagen – die zwar korrekt übersetzt sind – anders interpretiert. Ein guter Übersetzer muss also nicht nur die Sprachen perfekt beherrschen, sondern auch die Kultur des Ziellandes und die dort lebenden Menschen kennen.

Bei Sprachen, die in mehreren Ländern gesprochen werden, ist es wichtig, zu wissen, für welches Land die Übersetzung gedacht ist. Beispielsweise Englisch: Dass Briten und US-Amerikaner nicht die gleiche Mentalität haben, ist ja allgemein bekannt, doch auch die Sprache selbst unterscheidet sich mitunter. Z. B. würde der Satz „I will give my girlfriend a ring“ in den USA so verstanden werden, dass ein Mann seiner Liebsten einen Ring schenkt, ihr einen Heiratsantrag macht, während er sie in Großbritannien lediglich anrufen möchte.

Deshalb sollte die Zielsprache immer die Muttersprache des Übersetzers sein und das Zielland sein Heimatland.

Bei Fachtexten ist ein weiterer Punkt, dass es nicht nur ausreicht, die Sprachen an sich zu beherrschen, der Übersetzer muss auch mit der Fachterminologie des jeweiligen Bereiches vertraut sein. Niemand wird einen potentiellen Geschäftspartner als kompetent ansehen, wenn er nicht die branchenüblichen Bezeichnungen verwendet.

Die Konkurrenz von Übersetzungssoftwares steigt: Warum können diese Programme nicht das leisten, was Sie leisten?

Die Antwort auf diese Frage ergibt sich größtenteils aus den Ausführungen, was eine gute Übersetzung ausmacht. Es sind menschliche Eigenschaften, die das schaffen. Den Programmen fehlt nach wie vor das Kontextverständnis. Es sind „Wort-für-Wort-Übersetzungen“, wobei auch mit den größten Wortbibliotheken und ausgeklügelter Programmierung nicht immer das korrekte Wort gewählt wird – von der passenden Formulierung und vom richtigen Zusammenhang ganz zu schweigen. Algorithmen haben kein „Gefühl“ für Sprachen, Mentalitäten und dafür, wie ihre Ergebnisse interpretiert werden.

Wir bekamen z. B. einmal einen Anruf von einem verzweifelten Geschäftsmann, der eine eilige Anfrage in Französisch erhalten hatte. Er meinte, er habe sie bereits in ein Internet-Übersetzungsprogramm eingegeben, würde aber trotzdem nicht verstehen, worum es ginge. Er hat uns dann das Ergebnis gezeigt – es hatte mit der von uns angefertigten Übersetzung äußerst wenig gemeinsam. Die Krönung des Ganzen war, dass der Kunde auf absolute Geheimhaltung bestand. Diese konnten wir von unserer Seite selbstverständlich garantieren, doch als ich ihn daran erinnerte, dass er den Text bereits ins Netz gestellt hatte, kam er ins Grübeln …

Welche Art von Texten wird am häufigsten übersetzt?

Das ist schwer zu beantworten. Unsere Aufträge erstrecken sich über die ganze Bandbreite, von der kleinen E-Mail-Korrespondenz und Newslettern, über Verträge, Broschüren, Webseiten, Betriebsanleitungen etc., bis hin zu Veröffentlichungen und Fachbüchern.

Was sind die Schwierigkeiten bei einer Übersetzung?

Da die anfangs genannten Voraussetzungen vorhanden sind, gibt es bei der Übersetzung selbst keine Schwierigkeiten. Ein Problem ist jedoch oft der Zeitdruck. Unsere Dienstleistung steht ja ziemlich am Ende der Produktionskette und die Zeitpuffer sind dann meist schon ausgeschöpft. Aussagen von Kunden wie „eigentlich sollte die Übersetzung schon letzte Woche fertig sein“ sind keine Seltenheit. Die Schwierigkeit besteht dann darin, zu erklären, dass Zeitmangel zu Lasten der Qualität geht und wir bei der Qualität keine Abstriche machen.

An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich bei Frau Sixt vom A.S.S. für ihre kompetente Unterstützung im Rahmen der Übersetzungen und für das gelungene Interview bedanken! Nächste Woche folgt der zweite Teil dieses Interviews.

Ihr arCanum Team

Bild: Patrick Tomasso via Unsplash

Digitales Lernen in der Erwachsenenbildung

Die Online Plattform digitalisierung-bildung.de hat ein spannendes Interview mit Prof. Dr. Matthias Rohs veröffentlicht, der zu den Themen zu Erwachsenenbildung, E-Learning und Weiterbildung forscht. Dabei wird über den aktuellen Stand im E-Learning, aber auch die Situation der Trainer gesprochen, die sich dem Wandel zum digitalen Lernen anpassen müssen.

Nach Rohs sollte zeitgemäßes E-Learning ein selbstgesteuertes und individuelles Lernen fördern. Vorteilhaft ist, dass dabei typspezifische Lerninhalte ermöglicht werden und Lernerfahrungen aufgegriffen werden können. Bildungsinsititutionen sind immer noch stark von traditionellen Lernräumen geprägt, wodurch sich das digitale Lernen nur langsam umsetzen lässt.

Die Trainer der Erwachsenenbildung brauchen im Zuge dieses Wandels mehr und mehr medienspezifische Kompetenzen. Dazu gehört eine medienbezogene Feldkompetenz, also das Wissen über das zu unterrichtende Feld und über die Lerngruppe. Außerdem brauchen Trainer fachbezogene Medienkompetenz, sie sollten erfassen können, welche Medien ihre Teilnehmer nutzen und ihren Unterricht darauf aufbauen können. Mit einer mediendidaktischen Kompetenz sollen sie ihr eigene medienbezogene Einstellung reflektieren können. Für diesen Kompetenzerwerb gibt es keine spezielle Ausbildung, die Trainer erfahren ihn eher zufällig aus Interesse, was zwar Anwenderwissen fördert, dennoch fehlt die Tiefe des Wissens über Mediennutzung.

In Zukunft werden Trainer zunehmend Lernbegleiter sein, da das Angebot für digitales Lernen stetig wächst, wodurch auch Themen wie die Medienerstellung an Bedeutung gewinnen.

Das vollständige Interview von Digitalisierung der Bildung finden Sie unter folgendem Link:

https://www.digitalisierung-bildung.de/wp-content/uploads/sites/8/2018/02/BST_Policy_Interview_Prof_Rohs.pdf.

Dem aktuellen Trend des digitalen Lernens, insbesondere in der Erwachsenenbildung, möchten auch wir folgen. Daher haben wir am 19.4.2018 ein Neuroforum zum Thema des digitalen Lernens, bei dem wir unter anderem auch darüber sprechen möchten, wie das Lernen mit digitalen Medien unter neurobiologischen Gesichtspunkten zu betrachten ist. Weitere Informationen hierzu finden Sie bei Interesse unter https://www.xing.com/events/lernen-digitalen-wandel-neurobiologie-hr-1922656.

Ihr arCanum Team

Bild: rawpixel.com via Unsplash

Von der Schwierigkeit der Anerkennung ausländischer Qualifikationen

Der europäische Arbeitsmarkt wird immer globaler und damit flexibler. Arbeitnehmer bewegen sich von einem Land in das andere, unsere Mobilität nimmt stetig zu und auch die internationalen Ausbildungssysteme, insbesondere der hochschulischen Ausbildung, versuchen Schritt zu halten, mit der steigenden Internationalität.

Nicht zuletzt die Einreise von vielen Flüchtlingen aus den Kriegsgebieten in den letzten Jahren stellt das deutsche Qualifikationssystem auf die Probe. Dr. Bettina Englmann betrachtet in ihrem Artikel die bestehende Praxis der Anerkennung ausländischer Abschlüsse im deutschen System, die einige Probleme birgt und stellt dar, wo Potenziale liegen, die noch nicht genutzt werden.

Mit der Lissabon Strategie hat die Europäische Union sich bereits 2000 ein Programm geschaffen, dass sich zum erklärten Ziel gesetzt hat, die Wettbewerbsfähigkeit der EU im Hinblick auf Produktivität und Innovation zu stärken. Dafür sollen politische Maßnahmen ergriffen werden, die die wirtschaftliche, soziale, und ökologische Erneuerung und Nachhaltigkeit fördert, um Europa zum Vorbild für den globalen Fortschritt zu machen. Ein zentraler Punkt ist hierbei die Wissensgesellschaft: lebenslanger Kompetenzerwerb und die Organisation von individuellem und kollektivem Wissen, sollen die Beschäftigungsfähigkeit sichern und damit zum Ziel der Wettbewerbsfähigkeit der EU beitragen.

Dieses Ziel scheitert jedoch oftmals daran, dass Migrantinnen und Migranten ihre Qualifikationen aus dem Herkunftsland im Aufnahmeland nicht oder nur zum Teil anerkannt bekommen. Eine fatale Situation, nicht nur für die Migranten, die ihre Qualifikation nicht für die Erwerbstätigkeit im Aufnahmeland nutzen können und sich dementsprechend die Integration, aber auch die finanzielle Absicherung deutlich erschweren. Auch die Herkunfts- und Aufnahmeländer, die vom vorhandenen Potenzial nicht profitieren, verlieren volkswirtschaftlich gesehen.

Auf europäischer Ebene wurde bereits 1999 der Bologna Prozess angestoßen. Dieser soll einen einheitlichen europäischen Hochschulraum bilden, in dem der zweistufige Abschluss im Bachelor-Master-System, sowie ein übertragbares, internationales Punktesystem (ECTS) zur Qualitätssicherung in den Hochschulbereichen und der Beschäftigungsfähigkeit beitragen soll. Diese Reformen sollten zum einen die Internationalisierung, zum anderen die Mobilität fördern und zu einem effektiveren Wissensmanagement führen. Die Erarbeitung eines nationalen Qualifikationsrahmens soll des Weiteren die Transparenz der beruflichen Qualifikationen und eine bessere Durchlässigkeit zwischen beruflichen und akademischen Niveaus ermöglichen.

Doch all die guten Prozesse und Reformen sind nur halb so viel wert, wenn in der Praxis bei der Anerkennung von Abschlüssen und Qualifikationen uneinheitlich vorgegangen wird und rechtlich gesehen Lücken bestehen. Insbesondere im Bereich der beruflichen Bildung ist der Anschluss an das deutsche Qualifikationssystem mit großen Schwierigkeiten verbunden. Formal gesehen gelten ausländische Qualifikationen nichts und ihre Inhaber sind damit ungelernt, was den Zugang zu tariflicher Bezahlung oder Weiterbildungsmöglichkeiten nahezu unmöglich macht. Dies gilt, solange die Berufstätigkeit oder die Berufsbezeichnung nicht in den reglementierten Bereich fällt. Bei einem reglementierten Beruf ist europaweit durch eine Rechts- und Verwaltungsvorschrift festgelegt mit welcher Qualifikation die Berufsausübung erlaubt ist. In Deutschland sind die meisten Berufe jedoch keine reglementierten Berufe. Im reglementierten Bereich ist die Berufsausführung also gesetzlich geregelt, dennoch unterscheiden sich die Anerkennungsmöglichkeiten von Bundesland zu Bundesland und zuweilen sogar von Region zu Region. Fehlende Transparenz und mangelnde Chancengleichheit treten hier als problematische Faktoren auf.

Vorliegende fachliche Kompetenzen und hohe Motivation reichen also oft nicht aus, um eine Anerkennung der eigenen Qualifikation im deutschen System zu erreichen. Rechtliche Regelungen sind teils lückenhaft, teils defizitär, Verfahren zur Anerkennung nicht einheitlich durchgeführt und es mangelt an Brückenmaßnahmen für Neuzuwanderer.

So hat die Studie “Brain Waste” beispielsweise die deutsche Anerkennungspraxis analysiert und kann Auskunft über die formale und informelle Anerkennungspraxis, organisatorische Rahmenbedingungen wie Kosten, über Probleme in der Planung und Durchführung, aber auch über mögliche Verbesserungspotenziale geben.

Grundsätzlich geht es in einem Anerkennungsverfahren darum, einen ausländischen Abschluss einem vergleichbaren deutschen Abschluss zuzuordnen. Hierbei werden von den zuständigen Stellen Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung, Ausbildungsinhalte und -dauer, sowie praktische Fertigkeiten verglichen, um anschließend einen schriftlichen Bescheid auszustellen. Fachliche Fähigkeiten, die ein Antragsteller praktisch nachweisen könnte, werden nicht berücksichtigt, da die praktischen Fähigkeiten nur anhand von Akten und Modulbeschreibungen, nicht jedoch im praktischen Sinne geprüft werden.

In diesem Bereich ist beispielsweise Dänemark einen Schritt voraus. Hier haben Zuwanderer das Recht auf die Prüfung ihrer Qualifikation, auch Gutachten und Weiterbildungen sind gesetzlich geregelt. Regionale Zentren sind hierfür Ansprechpartner, bewerten Kompetenzen und Fähigkeiten, die einen hohen Stellenwert genießen und stellen abschließend Zertifikate aus. Dabei genießen regionale Unternehmen ein Mitspracherecht bei der Entwicklung und Gestaltung dieser Maßnahmen, um ihre Bereitschaft zur Einstellung zu fördern, so dass sie entsprechend passendes Personal für den eigenen Bedarf finden. Auch das ein Punkt, der in Deutschland wenig Berücksichtigung findet.

Durch die Möglichkeit der informellen Anerkennungsbescheinigung, gibt es zumindest die potentielle Möglichkeit sich die eigenen Qualifikationen anerkennen zu lassen. Doch die Methoden variieren zwischen einem Einzeiler, dass ein entsprechender Abschluss vorliegt und einem Gutachten. Dennoch werden Berufserfahrung und besondere Fähigkeiten, beispielsweise durch ein Fremdsprachentraining gewürdigt, insbesondere, wenn sie über die deutschen Ausbildungsinhalte hinaus reichen. Nach der IHK finden 90% derer, die eine solche informelle Anerkennung durch ein Gutachten erhalten einen Anstellung. Leider ist der deutsche Arbeitsmarkt immer noch sehr stark durch den formalen Nachweis, also Zertifikate, Zeugnisse und Bescheinigungen geprägt, was zu Problemen führt, wenn diese formalen Nachweise fehlen, wie es oft bei Flüchtlingen der Fall ist.

Problematisch ist das ganze Thema der Anerkennung von Qualifikationen aus dem Ausland in Deutschland deshalb, weil zu wenige Informationen über ausländische Berufsbildungssysteme bestehen. Die zuständigen Stellen haben sich Informationen mittlerweile selbst zusammengestellt, von organisiertem Wissenstransfer sind wir hier jedoch noch weit entfernt. Ebenso davon, dass jeder Migrant automatisch ein solches Prozedere der Anerkennung durchläuft, beispielsweise während er den Integrationskurs absolviert. So kann er anschließend beispielsweise ein Fremdsprachentraining für berufsbezogenes Deutsch absolvieren, was den beruflichen Einstieg deutlich erleichtert.

Zukünftig sorgt das internationale Marktinteresse und die Vergrößerung des Rekrutierungspools wohl für steigende Wertschätzung auf dem Arbeitsmarkt und damit auch für Qualifikationen aus dem Ausland. Aufgrund der demografischen Veränderungen sind wir in Europa in Zukunft deutlicher auf die Zuwanderung im Arbeitsmarkt angewiesen, beispielsweise um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken. Andere europäische Staaten haben bereits ihre Integrationsprogramme reformiert und schaffen es so sich im Wettbewerb um Fachkräfte zu positionieren.

Neben gesetzlichen Änderungen und Regelungen, ist also auch dringend ein Informationsaustausch bezüglich ausländischer Berufsbildungssysteme notwendig. Bessere Brückenangebote für Menschen, die die Anerkennung ihrer Qualifikation warten, sowie zielgerichtete Maßnahmen im Anschluss fördern die Integration in den Arbeitsmarkt und dieser Prozess sollte aktiv von den Unternehmen mitgestaltet werden, sodass sie gutes Personal finden, das einem demografischen Wandel und Fachkräftemangel entgegenwirken kann.

Inzwischen gibt es auch neue Erkenntnisse über den Bildungsstand von Geflüchteten. War zunächst davon ausgegangen worden, dass es sich bei den Geflüchteten überwiegend um Personen ohne Schulabschluss handelt, hat Herbert Brücker vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung im Rahmen einer umfangreichen Befragung anderes herausgefunden. Laut den Antworten dieser Befragung von erwachsenen Flüchtlingen haben 64 Prozent einen ausländischen Schulabschluss. 35 Prozent hatten weiterführende Abschlüsse, vergleichbar mit Gymnasien oder Fachoberschulen; 25 Prozent mittlere Abschlüsse, vergleichbar mit Haupt- und Realschulen. 4 Prozent hatten sonstige Schulabschlüsse erworben, etwa an Fachschulen. Je 11 Prozent hatten nur eine Grundschule oder gar keine Schule besucht. Den komplette Artikel dazu wurde unter nachfolgendem Link am 29.12.2017 auf n.tv.de veröffentlicht: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Umfrage-deckt-Wissenschaftsskandal-auf-article20205533.html

Quelle:

Dr. Englmann, Bettina (2009): Die Anerkennung ausländischer Abschlüsse im deutschen Qualifikationssystem; In: Zeitschrift Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis, 1 (BIBB): 15-19

Bilder: rawpixel, m0851 via Unsplash

Hinweis zum Haftungsausschluss bezüglich in diesem Text enthaltener Links:

Der Autor erklärt hiermit ausdrücklich, dass zum Zeitpunkt der Linksetzung keine illegalen Inhalte auf den zu verlinkenden Seiten erkennbar waren. Auf die aktuelle und zukünftige Gestaltung, die Inhalte oder die Urheberschaft der verlinkten/verknüpften Seiten hat der Autor keinerlei Einfluss. Deshalb distanziert er sich hiermit ausdrücklich von allen Inhalten aller verlinkten /verknüpften Seiten, die nach der Linksetzung verändert wurden. Diese Feststellung gilt für alle innerhalb des eigenen Internetangebotes gesetzten Links und Verweise sowie für Fremdeinträge in vom Autor eingerichteten Gästebüchern, Diskussionsforen, Linkverzeichnissen, Mailinglisten und in allen anderen Formen von Datenbanken, auf deren Inhalt externe Schreibzugriffe möglich sind. Für illegale, fehlerhafte oder unvollständige Inhalte und insbesondere für Schäden, die aus der Nutzung oder Nichtnutzung solcherart dargebotener Informationen entstehen, haftet allein der Anbieter der Seite, auf welche verwiesen wurde, nicht derjenige, der über Links auf die jeweilige Veröffentlichung lediglich verweist.

Selbstreflexion und Stärkenfindung

Bereits vor zwei Wochen haben wir die Thematik Bewerbungsgespräche auf Englisch aufgegriffen. Zwei Klassiker unter den häufig gestellten Fragen in Bewerbungsgesprächen haben wir aufgeführt und mögliche Antworten vorgeschlagen. Daran möchten wir gerne anknüpfen. Dieses Mal unter dem Schwerpunkt Selbstreflexion und Stärkenfindung.
Warum ist das wichtig?

Voraussetzung für Authentizität ist ein offener Umgang mit eigenen Stärken und Schwächen. Wie ist das möglich, wenn man seine Stärken und Schwächen (noch) nicht gut kennt? Auch hier gilt: Übung macht den Meister.

Gehen Sie folgende Fragen für sich durch und üben Sie sie auch im Rollenspiel. Vielleicht sind sie auch Teil einer Tandempartnerschaft, was das Sprachentraining vervielfältigen und auch erleichtern kann.

In what way do you feel you could make the greatest contribution to our firm?

Hier geht es darum Ihre Stärken in das richtige Licht zu rücken. Bedenken Sie, ein Bewerbungsgespräch ist eine gegenseitige Abhängigkeit – die Firma präsentiert sich Ihnen, ebenso wie Sie sich der Firma vorstellen. Möglich wäre, mit einer Anerkennung zu beginnen und diese mit den eigenen Stärken zu verknüpfen:

“What I find truly impressing about your organisational culture is…

“I find myself in there, because….

“I could enrich the … department/team,  since I … “

Give an example of your leadership skills?

Leadership ist ein transformales Konzept. Auch, wenn Sie offiziell keine Führungsposition innehaben, gibt es mit Sicherheit Fallbeispiele, in welchen sie eine führende Rolle übernommen haben. Denken Sie einmal genau nach – wann haben Sie Menschen um sich motiviert? Wann haben Sie die Kommunikation organisiert und gezielt gesteuert?

Vermeiden Sie es, die Frage in Ihrer Antwort aufzugreifen, etwa “An example of my leadership skills…”.  Möglich wäre beispielsweise: “On the day of my old company’s biggest networking event, …. “ Erzählen Sie eine Geschichte! Das ist in jedem Falle spannender – und auch überzeugender.

Ihr arCanum Team

Bewerbungsgespräche auf Englisch

Es kann eine ganz besonders große Herausforderung sein, ein Bewerbungsgespräch in einer anderen Sprache zu führen. Auch hierfür bereiten wir unsere Kursteilnehmer gezielt vor.

Generell gilt: Natürlichkeit und Aufrichtigkeit kommt immer gut an. Ganz gleich in welcher Sprache. Verstellen Sie sich also nicht, und lassen Sie sich nicht davon abhalten, authentisch zu sein, nur, weil Ihre Antworten in einer anderen Sprache erfolgen müssen.

Rollenspiele sind eine gute Möglichkeit um Bewerbungssituationen zu simulieren.

Beliebte Fragen sind und bleiben:

  • What is your greatest strength? Weakness?

Hier gilt, wie im Deutschen, eine Stärke zu finden, die Ihre Persönlichkeit innerhalb kurzer Sätze passend beschreibt. Vermeiden Sie sogenannte „leere“ Adjektive wie „hard-working“. Beschreiben Sie lieber eine Situation, anhand welcher deutlich wird, dass sie bereit sind, Arbeit und Zeit zu investieren.

Formulieren Sie eine „versteckte Stärke“ als Schwäche und bieten Sie eine Lösung an. Ein Beispiel hierfür könnte sein:

„I tend to show great commitment to all tasks and that often puts a lot of pressure on me meeting all the deadlines on time. A way to avoid stress and time-pressure is prioritising: some tasks require more in-depths research, others don’t. Its all a process, but I have applied this strategy recently and it helps me to cope with a multitude of different jobs.“

  • What motivates you?

Machen Sie Ihre Hausaufgaben und informieren Sie sich. Das ist in einer anderen Sprache besonders wichtig – was steckt hinter „Humbleness“ oder „Uprighntess“?

Lesen Sie sich auch genau in die Werte der Organisation ein – Was bedeuten diese für den Arbeitsalltag? Wie stehen diese in Verbindung mit Ihnen?

Gleichen Sie die Organisationskultur mit Ihrer eigenen Motivation ab. Wenn Sie sich mit einem Unternehmen identifizieren, verläuft der Einstieg in die Organisation und ihre Kultur reibungslos.

Spielen Sie diese Fragen wiederholt durch, sodass ein Bewerbungsgespräch nicht an Unsicherheiten in der Sprache scheitert.

Viel Erfolg wünscht Ihnen

das arCanum Team